Wo bleibt die Menschenwürde?

NRZ

DIE LINKE. Rheinberg

Egon Kirchhoff ist kein Mann, der um eine Sache herum redet. Und so ist auch dieses Mal seine Antwort kurz, knapp und deutlich: "Ganz einfach, ich bin entsetzt", reagiert Kirchhoff auf den Vorschlag des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, für Hartz-IV-Empfänger eine Arbeitspflicht einzuführen.

Typische politische Propaganda, urteilt Kirchhoff. Damit werde Hartz-IV-Empfängern mal wieder unterstellt, sie würden ohnehin nur auf der faulen Haut und anderen auf der Tasche liegen. Kirchhoff kennt diese Vorurteile zur Genüge, der gelernte Elektriker bezieht seit vier Jahren Hartz IV und weiß, dass das Leben damit alles andere als ein Zuckerschlecken ist. "Welche Arbeit", fragt er, "meint Koch denn wohl?"

Denn überflüssige Arbeit, wie der 48-Jährige es formuliert, gebe es doch gar nicht. Würden Hartz-IV-Kräfte zwangsverpflichtet, so würden sie anderen die Arbeit wegnehmen. Dieser ganze Vorstoß sei doch nur ein Manöver, um Beschäftigungsverhältnisse mit geregelten Löhnen weiter abzubauen - Stichwort Ein-Euro-Jobs.

Ansonsten scheine Koch vom Leben mit Hartz IV herzlich wenig Ahnung zu haben. So habe der hessische Ministerpräsident gesagt, niemand solle das Leben mit Hartz IV als angenehme Variante ansehen. "Dann soll er das doch selbst mal ausprobieren, mit dem Geld und mit den Bedingungen klar zu kommen." Sein Satz, so Kirchhoff, sei gerade reduziert worden, da er eine Kaution für die Miete abstottern müsse, die die Arge nicht übernehme. 259 Euro blieben ihm derzeit im Monat.

Fatale Entwicklung

Aber mit Menschen, die nicht mehr viel hätten, könne man es ja machen. Denn, das stellt Kirchhoff immer wieder fest, die meisten der Betroffenen resignierten, seien entmutigt, würden sich zurückziehen. Bei Kirchhoff ist das anders. Ihn hat seine Situation politisiert. Er ist Mitglied bei der Rheinberger Linken und für diese als sachkundiger Bürger in Ausschüssen vertreten.

Bernard Bauguitte, Leiter des Diakonischen Werks in Rheinberg, sieht den Koch-Vorschlag ebenfalls mehr als kritisch. Wie Kirchhoff befürchtet auch er eine fatale Entwicklung, immer mehr reguläre Jobs könnten so abgebaut und Tarife ausgehebelt werden. Hartz-IV-Empfänger sollten Jobs machen, um die Kommunen zu entlasten. Ob das legitim sei? Und, last but not least, sollten sie Jobs übernehmen, die andere nicht machen wollten- wie sei das mit der Menschenwürde vereinbar?