Haushaltsrede: Die Linke im Rat der Stadt Wesel lehnt Haushalt ab!

Linksfraktion Wesel

Haushaltsrede 12.03.2024

 

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Westkamp,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Rates,

meine Damen und Herren,

 

als erstes bedanke ich mich auch im Namen meiner Fraktion bei den Mitarbeitenden der Verwaltung für die Aufstellung des Haushalts. Späte Entscheidungen der Landesregierung und zahlreiche Änderungen und Entwicklungen beeinflussen die Zahlen bis zuletzt und auch jetzt noch. Das erforderte immer wieder Anpassungen. Die Arbeit am Haushalt war dadurch schwierig und aufwendiger als sonst. Wir schätzen diese Arbeit wert, auch wenn wir dem Ergebnis nicht zustimmen können.

Schon seit vielen Jahren ist die finanzielle Situation der Kommunen schlecht. Dank guter Gewerbesteuereinnahmen ist Wesel in den letzten Jahren deutlich besser zurechtgekommen als andere Städte und Gemeinden. Inzwischen hat sich auch bei uns die Lage verschärft. Aber im Vorgriff auf eine in Zukunft drohende Haushaltssicherung auf wichtige freiwillige Leistungen zu verzichten, Investitionen in die Infrastruktur auf ein absolutes Mindestmaß oder darüber hinaus zu reduzieren und Maßnahmen zum Umweltschutz und zur Erreichung der Klimaneutralität auszusetzen, ist der falsche Weg.

Gerade die Mitbürgerinnen und Mitbürger, die nur über ein geringes Einkommen verfügen, haben unter den Krisen der letzten Zeit besonders gelitten und tun es noch immer. Für diese Menschen ist eine Erhöhung der Grundsteuer B um knapp 40 Prozent zusätzlich zu den Erhöhungen der beiden Vorjahre keine Kleinigkeit. Sie wären die Zielgruppe der Projekte aus dem kommunalen Förderprogramm „Soziale Angebote“ gewesen, für das Ende 2022 ein Gesamtbudget von 1 Mio. Euro verteilt auf 2 Jahre vom Rat beschlossen wurde. Verschiedene Träger haben Zeit und Mühe aufgewandt und förderfähige Konzepte eingereicht. Für mich ist es Wortbruch, auf die Umsetzung der Projekte zu verzichten. Und auch von anderen Sparmaßnahmen sind in besonderem Maße Menschen betroffen, die über wenig Geld verfügen. Nach den Einschränkungen, denen Kinder und Jugendliche während Corona ausgesetzt waren und deren Auswirkungen noch immer spürbar sind, wäre eine Ausweitung und Aufwertung der Spiel- und Bolzplätze dringend erforderlich. Den jungen Menschen muss Gelegenheit gegeben werden, sich im Freien zu bewegen, sich zu treffen und mit Gleichaltrigen in Kontakt zu treten. Auch hier sind von Einsparungen diejenigen am stärksten betroffen, die wenig Geld haben und auf kostenlose öffentliche Angebote angewiesen sind. Zunächst sollten die Mittel für Spielplätze komplett gestrichen werden. Durch Umschichtung wurde ein Etatposten von 30.000 Euro geschaffen. Das ist wahrscheinlich zu wenig, um nur den derzeitigen Standard zu erhalten. Attraktivitätssteigerungen oder Erweiterungen sind damit definitiv nicht drin.

Die umgeschichteten Mittel sollen aus dem Kulturbereich abgezweigt werden. Der Etat der Stadtbücherei für Neu- und Ersatzbeschaffung von Medien soll um 15.000 Euro reduziert werden gegenüber dem langjährigen Durchschnitt. Für Nutzerinnen und Nutzer bedeutet das eine Verschlechterung des Angebots. Auch hier sind diejenigen mit wenig Geld besonders betroffen, weil sie sich den Kauf der nicht in der Bücherei verfügbaren Medien nicht ohne weiteres leisten können.

Die Ziele zur Klimaneutralität, die sich die Ratsmehrheit Ende 2020 gesetzt hat, waren und sind anspruchsvoll. Sie sind aber auch dringend nötig. Der Temperaturanstieg betrug im Durchschnitt des letzten Jahres bereits 1,5 Grad, ein Wert, den wir nach dem Pariser Klimaschutzabkommen nicht überschreiten wollen. Die Folgen des Klimawandels ereignen sich nicht mehr in weit entfernten Regionen der Welt. Auch wir bekommen die Auswirkungen hier ganz unmittelbar zu spüren. Starkregenereignisse, Dürresommer, ehemals seltene Wetterphänomene, die mit nicht gekannter Häufigkeit auftreten. Wir gefährden unsere Lebensgrundlagen und versündigen uns an nachfolgenden Generationen, wenn wir nicht entschieden handeln. Maßnahmen zum Umweltschutz und zur Erreichung der Klimaneutralität für ein paar Jahre auszusetzen, weil das Geld knapp ist, ist fatal. Der Klimawandel legt auch keine Pause ein. Dem können wir nur begegnen, wenn wir den Einsatz fossiler Energien verringern. Durch den Ausbau regenerativer Energieerzeugung, durch energetische Sanierungen, durch eine massive Verbesserung des ÖPNV.

Seit vielen Jahren beklagen wir, die Fraktion Die Linke, dass die kommunale Ebene strukturell unterfinanziert ist. Die Finanzprobleme, denen wir uns ausgesetzt sehen, sind nicht hausgemacht. In den Beratungen zum anstehenden Haushalt haben alle Fraktionen diese Einschätzung geteilt. Dagegen können wir beim besten Willen nicht ansparen. Die Mehrheit hier ist in Parteien organisiert, die seit vielen Jahren an der Landes- und/oder Bundesregierung beteiligt waren oder aktuell sind. Deshalb appelliere ich an Sie, sich bei Ihren Parteikolleginnen und Kollegen in Land und Bund für eine angemessene finanzielle Ausstattung der kommunalen Ebene einzusetzen. Landes- und Bundesregierung und Landtag und Bundestag hätten es in der Hand, das Ausbluten der Kommunen zu beenden - durch eine Politik, die große Vermögen und Einkommen durch eine höhere Besteuerung stärker an den Kosten des Gemeinwesen beteiligt; durch eine Politik, die für eine angemessene Refinanzierung von Pflichtaufgaben sorgt, die den Kommunen auferlegt werden; durch eine grundlegende Reform der Finanzierung der kommunalen Ebene, die den Städten und Gemeinden Planungsspielräume eröffnet für eigenständige Entwicklungen. Die derzeitige Situation gefährdet die kommunale Selbstverwaltung, weil sie die Kommunen in ihren Hoheitsrechten beschneidet.

Kommunalpolitik ist nah an den Menschen. Die Entscheidungen, die die Räte treffen, haben ganz unmittelbare Auswirkung auf das Leben der Bürgerinnen und Bürger. Werden Menschen mit wenig Geld oder besonderen Bedarfen angemessen unterstützt und gefördert? Haben junge Menschen Chancen auf gute Bildung und Teilhabe? Welche Angebote für eine sinnvolle Freizeitgestaltung gibt es? Gestalten wir unsere Stadt lebenswert für alle Einwohnerinnen und Einwohner? Zur Bewältigung der vielfältigen Aufgaben und zur selbstbestimmten Entwicklung des Gemeinwesens benötigen die Kommunen ausreichende Finanzmittel. Das zu erreichen, sollte unser gemeinsames Ziel sein, und nicht sparen um jeden Preis.

 

Barbara Wagner

Fraktionssprecherin

 

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