Haushaltsrede der Fraktion DIE LINKE. im Kreistag Wesel vom 17. März 2016

DIE LINKE. Fraktion im Kreistag

Zu den Haushaltsberatungen im Kreistag am 17. März hat unser Fraktionsvorsitzender Sascha H. Wagner folgende Rede gehalten:

***Es gilt das gesprochene Wort***  

Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Müller,
sehr geehrte Damen und Herren,
werte Gäste, 

wenn wir heute den Haushalt für das Jahr 2016 ablehnen, bedeutet das nicht, dass wir die Arbeit von Herrn Borkes und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ablehnen. Diese Arbeit verdient unseren größten Respekt.  

Der vorgelegte Haushalt ist geprägt vom Kürzungsdiktat der Jamaika-Kooperation. Das sind die CDU, die FDP/VWG und das sind Bündnis ‘90/Die Grünen.

Sie sind heute hier verantwortlich für ein Streichkonzept erster Güte. Ein Streichkonzept, wie es im Kreis Wesel schon lange nicht mehr vorgekommen ist und mit dem behutsamen Straffen von Strukturen und Kürzen mit Augenmaß, wie Herr Berger es uns verkaufen will, nichts zu tun hat. Ausgerechnet der Kreis Wesel, der als familien- und kinderfreundlich gilt, erlebt jetzt einen Kahlschlag, der an Widersinnigkeit nicht mehr zu überbieten ist. 

Dieser Haushalt muss von uns abgelehnt werden, weil wir nicht wollen, dass wichtigen Institutionen wie der AIDS-Hilfe die Arbeitsgrundlage entzogen wird. Wir brauchen die AIDS-Hilfe im Kreis Wesel.  Sie ist zuständig für einen Flächenkreis von 1350 qkm und 13 Kommunen. Alle hier wissen, wer an der strukturellen Prävention spart, der erntet: Infektionen, mehr lebensbedrohliche Krankheitsverläufe, höhere Behandlungs- und Therapiekosten, einen höheren sozialdienstlichen und bürokratischen Aufwand, höhere Folgekosten für die Sozialversicherungssysteme, zunehmende Ausgrenzung, soziale Benachteiligung und nicht zu vergessen, auch nachlassendes Freiwilligenengagement. 

Ebenso wollen wir nicht, dass kulturelle Einrichtungen, die stark von ehrenamtlichem Engagement geprägt sind, wie das geistig-kulturelle Zentrum Kloster Kamp, oder die Burghofbühne, Opfer einer unüberlegten und allein von machtpolitischen Einflüssen geprägten Politik der Jamaika-Kooperation werden. Ein schlechteres Signal an die vielen Ehrenamtlichen könnte man gar nicht setzen. 

Und selbstverständlich wollen wir auch nicht, dass bei den Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen  Gelder gestrichen werden. Wir wollen, dass die Ratsuchenden auch weiterhin zwischen Beratungsstellen unterschiedlicher Weltanschauung wählen können und dass ihnen nicht zugemutet wird, eine Konfliktstelle aufsuchen zu müssen, die 40 km entfernt liegt. Für Menschen in schwierigen finanziellen Lagen sind schon allein die Fahrtkosten eine schwere Belastung. 

Und wir fragen uns: Was ist mit der Begleitung bei der vertraulichen Geburt oder der Pränatal-Diagnostik? Was ist mit den Startchancen für frühe Hilfen? Was mit dem niedrigschwelligen Beratungsangebot und dem damit verbundenen frühen Zugang zu den betroffenen Familien?  Was passiert mit den zahlreich von Gewalt betroffen Frauen im Kreis Wesel? Was, wenn der Zugang zu einer qualifizierten Anlaufstelle immer schwieriger wird. Wo schickt die Polizei die Frauen dann hin?  Wie wollen wir die vielen hilfesuchenden Flüchtlinge erfolgreich integrieren? Wer soll denn diese schwere Aufgabe lösen, wenn keine ausreichenden Mittel mehr bereitgestellt werden?

So wird der Nährboden bereitet für ein schlimmes Gedankengut, dessen Erstarken wir am vergangenen Sonntag bei den Landtagswahlen sehen konnten.  

Wir sind im Übrigen auch nicht Ihrer Meinung, Herr Dams, dass sich bei den freiwilligen Leistungen über Jahre und Jahrzehnte ein Wildwuchs breit gemacht hat. In unseren Gesprächen mit den Verbänden haben wir auch keine fragwürdigen Argumente zu hören bekommen. Dass Ihre Kooperationspartner sich nicht spätestens jetzt und hier von den Vorwürfen, die Träger seien Steuergeldverschwender distanzieren, spricht Bände: 

Sie wollen keine breite Trägerschaft aber gleichzeitig Personalabbau in der Verwaltung. Beides zusammen geht nicht! Alle, die sich mit den betroffenen Institutionen unterhalten wissen, wie sehr die Sozialarbeit unter den wachsenden Aufgaben leidet und unter welchem enormen Druck alle stehen. Da zeigt sich doch wie wichtig deren sozialen Angebote sind! Schon jetzt haben wir im Kreis große Probleme mit unbegleiteten, minderjährigen, Flüchtlingen. Was jetzt nicht gut gemacht wird, fällt uns morgen wieder auf die Füße und gibt den Rechtspopulisten Wasser auf die Mühlen.

Kürzen im Sozialbereich ist kontraproduktiv, meine Damen und Herren!  Die gesellschaftlichen Initiativen jetzt zu schwächen, ist genau das falsche Signal. Das Mindeste, das diese und auch unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten können ist, dass wir sie stabilisieren und ihren Fortbestand garantieren. Denn wir werden ihren Einsatz in Zukunft bitter nötig haben.  

Am Ende stehen Städte und Gemeinden vor Problemen, die sie alleine nicht mehr lösen können. Wenn man sich die Schreiben der Bürgermeister von Voerde und Dinslaken ansieht, merkt man schnell, dass die das schon erkannt haben. Und alles wegen einer nicht zu erreichenden Kreisumlage von 41,8 Prozent. Was haben Sie sich nicht alles einfallen lassen: Mal eben den Ansatz der Kosten für Unterkunft um 250.000 €uro senken. Gegen besseres Fachwissen der Verwaltung. Woher wissen Sie denn, ob und wieviel Heizkosten eingespart werden? Der gesunkene Ölpreis wurde doch so gut wie gar nicht an die Gasverbraucher weitergegeben. Dann fordern sie, dass Gelder, die für offene Rechnungen bereitgestellt sind, aus der Kreisumlage gestrichen werden. Und wo das Geld für die gequälten 270 Hunde herkommen soll interessiert sie überhaupt nicht. So sieht handwerkliche Inkompetenz aus. Es ist eben doch nicht so einfach, sich einen Haushalt zurecht zu stricken. Wie konnten Sie glauben, dass man sich, auf eine Prozentzahl festlegen kann, ohne den Haushalt genau zu kennen? Genau das haben sie mit Ihrer 41,8- er Kreisumlage aber getan.  

Sie wollten Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen mit viel Energie angehen und Leitlinien für zu künftige Beratungen abstecken. Herausgekommen ist ihre Erkenntnis:  

Das die freiwilligen Leistungen nur einen Bruchteil des Haushaltes ausmachen. Das Ihnen die Übersicht fehlt. Dass es nicht Ihre, sondern eigentlich die Aufgabe des Landrates ist, das von Ihnen gesetzte Sparziel zu erreichen. Und indem Sie ihn aufforderten, das Kürzungspotenzial als bunten Herbststrauß zu präsentieren, haben Sie ihm auch noch die Form der Präsentation vorgegeben. Das war schon an Verzweiflung, aber auch an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten.  Die 41,8er Umlage bleibt trotz allem ein Traum! Trotz Energie und Leitlinien, mussten Sie am Ende die Gemeindeprüfanstalt bemühen.

Die soll nun als Helfer in der Not dienen und dafür sorgen, dass das voreilig gegebene Versprechen eingelöst wird. Sie soll ihnen den 41,8er Traum doch endlich erfüllen. Dass das nicht gelingen wird, wissen alle hier in diesem Kreistag. Sogar die Gemeindeprüfanstalt hat sich von Ihrer übergroßen Erwartungshaltung abgegrenzt.  Die GPA kostet alles in allem ca. 500.000 Euro oder mehr. Niemand weiß, wie viel Konsolidierungs-potenzial noch im Kreis steckt, nach all den Prüfungen, die er schon hinter sich hat. Was, wenn die GPA, keine Einsparpotenziale mehr aufzeigen kann ohne die Leistungsfähigkeit der Verwaltung in Frage zu stellen?

Im Kreis soll die Gemeindeprüfanstalt nun alles richten.  Wird sie jedoch vor Ort in den kreisangehörigen Kommunen eingesetzt, dann empören sie sich, wie es uns ihr Fraktionsmitglied Frau Schmitz mit der Bücherei in Voerde gezeigt hat. Ihr Verhalten ist doppelzüngig und schlägt dem Fass den Boden aus.  

Im Dezember 2015 und im März 2016 hat die Fraktion DIE LINKE die Heranziehung der GPA abgelehnt. Wir sind der Meinung, dass die Suche nach Konsolidierungspotenzialen durch die GPA direkt nach einer turnusmäßigen GPA-Prüfung nicht zu dem gewünschten Ergebnis kommen kann. Und wir fragen uns auch, ob durch diese Zweifachprüfung die GPA nicht an einen Punkt kommt, wo sie ihre eigene Arbeit auch mal hinterfragen muss. 

Studien haben ergeben, dass die Mitarbeiterzufriedenheit vor dem Hintergrund von Haushaltskonsolidierung und Prozessoptimierung ständig sinkt und sich in Reformmüdigkeit niederschlägt. Und so Sätze wie: Es gehe nicht darum Menschen zu entlassen sondern eher darum, Personal effizienter einzusetzen und Standards zu senken, tragen nur noch mehr dazu bei. Da ist die innere Kündigung nicht mehr fern und was das für Konsequenzen hat kann sich ja jeder vorstellen.  

Meine Damen und Herren, an der von der GPA vorgeschlagenen Lenkungsgruppe wird DIE LINKE nicht teilnehmen! Wir wollen keine Fallzahlenvergleiche sondern eine Nutzenbetrachtung. Wir lassen uns nicht von Jamaikas Prozessoptimierungs- und Standardabbauwahn instrumentalisieren. Und wir tragen auch nicht dazu bei, dass 500.000 Euro oder mehr möglicherweise in den Sand gesetzt werden. 500.000 Euro, die woanders dringend nötig sind. 

Alle hier wissen, dass Bund und Land die Kommunen nicht auskömmlich finanzieren und indem Sie diese Tatsache immer wiederholen wird sie auch nicht besser.  Wir befinden uns in einer Spirale sinkender Handlungsfähigkeit und wachsender sozialer Probleme. Auf der einen Seite wird im sozialen, kulturellen Bereich gekürzt und auf der anderen Seite entgehen den Finanzämtern Millionen. Da braucht man sich nur die Milliardendeals auf dem deutschen Wohnungsmarkt anzusehen. Als sich die Reviergesellschaften Mülheimer Gagfah und der Deutschen Annington zum größten Immobilienkonzern Deutschlands zusammenschlossen gingen dem Land NRW ca. 200 Millionen Euro Grunderwerbssteuer durch die Lappen. Während jeder private Wohnungs- oder Eigenheimkäufer in NRW die höchste Grunderwerbssteuer bezahlen muss, gelingt es den großen Wohnungskonzernen die ungeliebte Abgabe zu umgehen. Weil es bei ihnen nicht um den Erwerb von Immobilien sondern um den Kauf eines Unternehmens geht. Und es passiert nichts. 

Hören Sie auf das Hohe Lied der schwarzen Null im Bund zu singen und hier vor Ort herum zu jammern, dass Ihnen die Hände gebunden sind. Aktivieren Sie lieber Ihre Abgeordneten in Land und Bund. Die sollen dafür sorgen, dass die Steuerquellen sprudeln.  Ihre Parteikolleginnen und Kollegen in Düsseldorf und Berlin sind mitverantwortlich für die Misere der Kommunen und Kreise. 

Sehr geehrte Damen und Herren, mit diesem Kürzungsetat legen Sie den Grundstein für eine Kulturfreie Wüstenlandschaft im Kreis Wesel.  Sie kündigen die Solidarität mit jenen Menschen auf, die unsere Solidarität bitter nötig haben. Das ist beschämend.  Wichtige Bausteine sozialer und kultureller Infrastruktur werden im Vorbeigehen und ohne Fachkenntnis der Träger und Initiativen weggewischt, ohne die Spätfolgen auch nur im Ansatz Zu kennen oder abzuschätzen. 

Am Ende hat der Kreis sich selbst um seine Gestaltungsmöglichkeiten gebracht, die ja gerade in den freiwilligen Leistungen liegen. Am Ende bleibt dem Kreistag nur noch zu prüfen, ob die Verwaltung im pflichtgemäßen Ermessen handelt. Meine Damen und Herren, und am Ende legen Sie mit der Verabschiedung dieses Haushaltes den Grundstein für die Beendigung der Selbstverwaltung auf Kreis- und Kommunaler Ebene.

Dies werden wir nicht mittragen und daher lehnt die Fraktion DIE LINKE diesen Haushalt entschieden ab. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.