Modellregion Kreis Wesel wäre grob fahrlässig

DIE LINKE. Fraktion im Kreistag Wesel

Während gerade einmal ein knappes Viertel der bundesdeutschen Bevölkerung die aktuell geltenden Anti-Corona-Maßnahmen für übertrieben hält, soll nach dem Willen von Landrat Ingo Brohl, das öffentliche Leben in allen 13 Kommunen im Kreis Wesel durch weitreichende Lockerungen wieder hochfahren. Die Linksfraktion im Kreistag Wesel hält diesen Vorstoß des CDU-Kreisverwaltungschefs zum jetzigen Zeitpunkt für grob fahrlässig.

„Denn die Gefahr von schwerwiegenden Covid-19-Langzeitfolgen und einer drohenden Überlastung der Krankenhäuser war nie größer als in der anlaufenden dritten Welle durch die tödlichere und infektiösere Virusvariante B.1.1.7.“, erklärt der Vorsitzende der Linksfraktion, Sascha H. Wagner zum angedachten Vorgehen der Kreisverwaltung. Modellrechnungen zufolge würden Lockerungen ähnlich dem Lockdown-light bereits Mitte April zu Inzidenzen von über 300 führen. Aufgrund des sinkenden Alters der Infizierten verlängern sich die Liegedauern auf den Kranken- und Intensivstationen. Gleichzeitig bewerten nur noch 30 Prozent der Bevölkerung die Arbeit der Regierung in der Pandemie als positiv. Der Frust über das politische Versagen seit dem Frühsommer 2020 im Gleichschritt mit jüngsten Korruptionsskandalen ist groß. Große Unternehmen wurden über Nacht mit zweistelligen Milliardenbeträgen gerettet, während Gastronom*innen, Kulturschaffende und Einzelhändler*innen heute mit einem Bein über dem Abgrund schweben.

„Auch wir wünschen uns, dass allen Bürger*innen mehr Perspektive in dieser mehr als schwierigen Zeit aufgezeigt werden könnte. Ohne einen harten Lockdown im Vorfeld oder Ausgangssperren sind diese Perspektiven mit dem derzeitigen Infektionsgeschehen auf der einen und dem Fortschritt der Impfaktion auf der anderen Seite jedoch nicht zu bewerkstelligen. Modellregionen nach dem Gusto der NRW-Landesregierung sind gefährlicher Aktionismus zur kurzfristigen Linderung des Frusts und Vertrauensverlusts der Bürger*innen gegenüber der Politik!“, so Wagner weiter.

Als Vorbild für die Öffnungen wird das Testregime im Landkreis Tübingen herangezogen. „Während Tübingen die Beschaffung der Tests selbstständig organisiert hat, sind wir im Kreis Wesel noch nicht einmal dazu in der Lage, Schulen, Kitas und Pflegeheime ausreichend durch zu Tests zu schützen“, ergänzt Wagner. Die 7-Tages-Inzidenz in Tübingen lag am 18. März bei 52,9. Am 25. März bereits bei 71,3. Trotz der Teststrategie entspricht dies einer Steigerung innerhalb von einer Woche von 34,78 Prozent. Die Tests sind keine Garantie für die notwendige Eindämmung des Infektionsgeschehens. Im Kreis Wesel liegt die Inzidenz aktuell bei 109,8. Auch eine Impfquote wie im Saarland von 12 Prozent, bewerkstelligt durch Sonderkontingente aufgrund der Eintragung der südafrikanischen Variante B.1.351 aus dem Elsass, kann nicht der Maßstab für Öffnungen im Kreis Wesel sein.

„Die zweite Welle der Pandemie wird im Gegensatz zu dem, was gerade auf uns zurollt, ein leises Plätschern gewesen sein. Die dritte Welle und ihre Ausmaße sind maßgeblich durch die Politik verschuldet. Bund, Land und Kreis haben es in den letzten zwölf Monaten nicht geschafft, die Weichen für weitreichende Lockerungen zu stellen. In dieser Situation trotzdem die Fahne in den Wind zu halten und auf kurzfristige Linderung der Frustsymptome zu setzen, ist grob fahrlässig“, so Wagner abschließend.

Die Linksfraktion im Kreistag Wesel spricht sich gegen die angedachte Bewerbung des Kreises Wesel zur Modellregion aus.