Anrufsammeltaxi (AST) - eine Beruhigungspille

Linksfraktion Wesel

Das hier mit großem Brimborium gefeierte Anrufsammeltaxi, kurz AST genannt, mag für einige wenige geeignet sein, die neu geschaffene Lücke in der ÖPNV-Versorgung durch Streichung von Buslinien zu bestimmten Zeiten zu schließen. Dies wird allerdings mit höherem Organisations- und Geldaufwand der Nutzerinnen und Nutzer erkauft. Mit anderen Worten: weniger Service für mehr Geld! Ob sich so die Attraktivität des ÖPNV steigern lässt, ist mehr als fraglich.

Bei genauerem Hinsehen stellen wir fest, so Norbert Segerath, Fraktionsvorsitzender der Partei DIE LINKE im Rat der Stadt Wesel, dass die wesentlichen Kritikpunkte am neuen Konzept in keiner Weise auch nur ansatzweise angegangen bzw. gelöst sind. Die viel kritisierten Mängel wie mangelhafte Taktung - ein Halbstundentakt wäre zwingend notwendig -, fehlende Koordination mit den Ankunfts- und Abfahrtzeiten der Züge und auch die überlangen Fahrzeiten bleiben bestehen. Durch die Streichung von Linien sowie Veränderung der Linienführung in den Randzeiten und an den Wochenenden sind einzelne Stadtteile zu bestimmten Zeiten mehr oder weniger vom ÖPNV abgeschnitten – es sei denn, sie können langfristig planen und die höheren Fahrtkosten problemlos zahlen.

Das alles ist dem Mantra der Eigenwirtschaftlichkeit geschuldet, das von den Protagonisten wie eine Monstranz in der Fronleichnamsprozession vor sich hergetragen wird. Der ÖPNV soll und darf die Stadt und den Kreis nichts kosten. Dafür werden alle Erschwernisse und Mängel in Kauf genommen.

Aber hier stellt sich die Frage: von wem? Unter diesem Zustand leiden die, die sich keinen Zweit- oder zum Teil nicht einmal einen Erstwagen leisten können, die nicht mehr Auto fahren können oder es aus welchen Gründen auch immer nicht wollen, alte oder junge Menschen, die keinen Führerschein mehr oder ihn noch nicht haben.

Man darf mit Fug und Recht sagen, dass die Ratsmitglieder, die darüber zu entscheiden haben, im Wesentlichen nicht betroffen sind, so Segerath weiter, womit wir zur zweiten substanziellen Frage kommen.

Ein attraktiver ÖPNV ist in der Regel nicht umsonst zu bekommen. Es gibt Beispiele, die zeigen, dass das gelingen kann. Es kann sich dabei zugestandenermaßen um Einzelfälle handeln. Andere Beispiele belegen, dass es ein Zuschussgeschäft ist, das sich die erforderlichen Mittel aber im bezahlbaren Rahmen bewegen.

Und jetzt die zentrale Frage: was ist der Politik der betroffene Personenkreis wert? Wieviel Geld ist man bereit dafür auszugeben, dass allen Bürgerinnen und Bürgern die Mobilität zur Verfügung steht, die ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe am sozialen Miteinander und kulturellem Leben gewährt und Pendlerinnen und Pendlern eine oder mehr Stunden pro Tag sinnlose Fahrt- und Wartezeiten erspart? Offensichtlich keinen Cent, denn selbst das Nachdenken über mögliche Alternativen zum derzeitigen Angebot des ÖPNV hat eine breite Mehrheit im Stadtrat abgelehnt.

Eines bleibt bei diesen Überlegungen völlig unberücksichtigt. Durch einen attraktiven ÖPNV könnten auch diejenigen zum Umstieg vom eigenen Auto in Busse und Bahnen bewegt werden, die nicht zum oben beschriebenen Personenkreis gehören. Der Individualverkehr mit seinen vielen negativen Auswirkungen könnte zurückgedrängt werden – für bessere Luft in den Städten und leerere Straßen.